Eine Show der Vielfältigkeit auf eine etwas andere Weise.
Die meisten sind diesem Begriff bereits begegnet – Tunte.
Ursprünglich war dies eine Beleidigung, die auf schwule oder schwul gelesene Männer abzielte, die sich in der Öffentlichkeit mit politischer Motivation in Frauenkleidung präsentierten. Doch wenn ich mich mit der Geschichte unserer Community auseinandersetze, begegnen mir Persönlichkeiten, die sich von dieser Beleidigung nie einschüchtern ließen. Im Gegenteil: Sie erkämpften sich die Deutungshoheit!
Und so wurde die Tunte geclaimt. Erobert. Vielleicht auch neu erfunden und als Kampfbegriff genutzt, um zu hinterfragen, zu irritieren und Ansichten ad absurdum zu führen. Sie spielt mit Geschlechtsstereotype und stellt so vorhandene Regeln und Maßstäbe auf den Prüfstein, um die Freiheit der eigenen Gedanken in ein auffallendes Kostüm zu hüllen – als kritische Form des Hedonismus. Und diesen völlig bewusst zur Schau stellt, damit verwirrt, aufrüttelt und Fragen offenlässt.
Innerhalb der Community wird die Tunte gelegentlich als schäbige Cousine der Dragqueen bezeichnet, die in den Schminktopf gefallen sein könnte. Genau so soll das auch sein. Ihr Fummel kann wie ein Griff in die Altkleidersammlung wirken und gleichzeitig klassische und moderne Stile, genauso wie geschlechtsstereotype Kleidungsstile miteinander verbinden – zumeist abgerundet mit Stöckelschuhen oder Plateauschuhen..
Ihr auffallendes Auftreten, gepaart mit der rebellischen Einstellung, macht die Tunte zu mehr als einer Bühnenfigur. Sie verkörpert eine queer-aktivistische Identität. Sie nutzt Provokation und Schäbigkeit, um Appell nach Toleranz herauszuschreiben.. Und das Beste: Jede Person kann eine Tunte sein, denn es geht nicht ums Geschlecht oder sexuelle Orientierung, sondern um Haltung und das Anprangern von Missständen.
Doch wie gewohnt stößt das, was schrill ist, auch in der queeren Community auf Widerstand. Wo der Wunsch nach Gleichheit eigentlich hochgehalten wird, begegnete der Tunte nicht nur Gegenliebe. Der sogenannte “Tuntenstreit”, welcher in der Mitte der 1970er Jahre in Deutschland stattfand, setzte sich genau mit diesem Widerspruch auseinander. Der Vorwurf: Die Akzeptanz der Community würde durch diese Form der Irritation leiden. Die Chance, als queere Community angenommen zu werden, würde torpediert.
Solche Aussagen werden mit Blick auf die politische Situation auch heute wieder laut.
Unterschiede, die genau wie damals wieder auf den Prüfstand gestellt werden.
Vielfältigkeit möge sich lieber wieder in den Schrank, in die heimischen vier Wände und in die Toiletten oder Saunen verziehen. Gerade deshalb ist der Auftritt der Tunte und ihre Provokation auch heute noch, über 40 Jahre später, genau so relevant wie damals.
Rosa von Praunheim zeichnete im eigenen Werk “Tunten lügen nicht” ein lebensnahes und fühlbares Bild von vier Berliner Tunten (Ovo Maltine, Bev StroganoV, Tima die Göttliche und Ichgola Androgyn) aus den 1980er Jahren, welche sich der Gewalt und Diskriminierung, aber auch dem Thema HIV, Radikalismus und Rassismus entgegensetzen. Ein empfehlenswertes Stück queerer Filmgeschichte, wenn Mensch bereit ist, sich mit (vermeintlich) fremden Lebenswelten auseinanderzusetzen.
Tunten begeben sich nicht nur in den öffentlichen Diskurs oder sind bei Demonstrationen anzutreffen. Sie bilden (Wahl-)Familien, die sich gegenseitig stützen können. Sie geben Workshops, beraten und veranstalten einzigartige Shows. Denn eine Tuntenshow ist ein Ort für alles. Gesang, Ausdruckstanz, Kunst, Schattentheater, Geschichten, Kuchennaschen, Opernstücke, Aerobic-Kurse, politischer Diskurs und seine Persiflage – oder schmutzige, emotionale und sexy Inszenierungen der Selbstentfaltung. Der (z.T. absichtlich fehlenden) Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
Ob in Bonn (Don’t tell Mom der “Tuntischen Gesellschaft”), in Köln (der Tuntenschlussverkauf der Garde der Garstigen) oder direkt hier bei uns in Aachen die WTF – die Show der II. Aachener Tuntendynastie – eine Tuntenshow ist immer einen Ausflug wert, um sich mit den queeren Spaces zusammenzuschließen und etwas zu erleben, das sich fernab von Glamour, Kommerz und Perfektion befindet. Denn bei den Tunten steht die Tugend der Schangeligkeit an erster Stelle.
Doch was bedeutet “schangeln”?
Es bedeutet, sich den Mut zum Scheitern als eigenes Ideal hochzuhalten, sich dem eigenen Niedergang zu widmen, die eigene Imperfektion und das Sein in einem Entwicklungsprozess zu betrachten. Boom.
Wenn ihr selbst einmal eine solche Show erleben wollt, möchte ich euch gerne dazu ermutigen. Am 18.01.2025 geht die WTF – die Tuntenshow nämlich in die nächste Runde.
In Zusammenarbeit mit Tunten aus der gesamten Tuntenrepublik wird im Autonomen Zentrum Aachen eine Show ohne Gleichen stattfinden, mit Inhalten, die sich kaum ein Mensch vorstellen kann. Wir freuen uns auf euch!
Was? | Wann? | Wo? | Eintritt? |
WTF – Die Tuntenshow Mit anschließender Aftershowparty! | 18.01.2025 Einlass 18 Uhr Beginn 19 Uhr Ende 23:30 Uhr Party: 00 – 03 Uhr | Autonomes Zentrum Aachen Hackländerstraße 552064 Aachen | Eintritt auf Spendenbasis. |
Weitere Informationen folgen auf dem Instagram des Queerreferats. Um Deine Nummer an zu melden einfach eine EMail an WTF [at] queerreferat-aachen.de schreiben.
Wenn Du Interesse hast zu helfen schreib ebenfalls eine EMail an WTF [at] queerreferat-aachen.de.